Die Kirchen haben noch in vielen europäischen Ländern einen Sonderstatus, der nicht mehr mit den Grundsätzen der jeweiligen Verfassung vereinbar ist. Besonders in Polen wird der Sonderstatus der dort hauptsächlich vertretenen katholischen Kirche gewahrt und durch alle bisherigen Regierungen unterstützt. Das verführt die Kirchenvertreter jedoch immer wieder, die Grenzen ihrer Macht auszuloten und möglichst zu erweitern. So hatten am Montag polnische Bischöfe einen Brief an den amtierenden Präsidenten geschrieben, indem sie gegen die zur Debatte im Parlament vorliegenden Gesetzesvorlagen protestierten. Dabei bezeichneten sie die In-vitro-Fertilisation, bei der entnommene Eizellen außerhalb des Körpers befruchtet und anschließend wieder implementiert werden, als „die kleine Schwester der Eugenik“. Damit vergleichen sie die Hilfe für Paare, die ohne medizische Unterstützung keine Kinder bekommen können, mit der von den Nazis durch Ermordung „lebensunwerter Menschen“ vorgenommenen Auslese. Auch verunglimpften die Bischöfe medizinische Wissenschaftler, deren Arbeit nach Meinung der Kirche „objektiv wissenschaftliche Tatsachen“ ignorieren würde. Regierungssprecher Pawel Gras, wies das Statement am Dienstag gegenüber der Presse scharf zurück. Zwar dürfe die Kirche gern ihre Meinung äußern, jedoch nicht in der vorliegenden Form. Er machte klar, dass sich die Regierung keiner „Erpressung und keiner Drohung“ durch die katholische Kirche beugen werde. Religion ist Privatsache – ein Fakt, den immer häufiger auch die Kirchenvertreter in Polen zu spüren bekommen.
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Streit um Entschädigung der polnischen Kirche
Seit dem Ende des sozialistischen Ostblocks kämpft die katholische Kirche in Polen für die Rückgabe von Grundstücken, die im Kommunismus verstaatlicht worden waren. Bisher konnte in dem daraus resultierenden Konflikt jedoch nur rechtliche Teillösungen gefunden werden. Ein Grund dafür ist, dass die bisherigen Nutzer der reklamierten Grundstücke auf das bestehende öffentliche Interesse an der Nutzung, beispielsweise bei darauf gebauten Hochschulen verweisen können. Das Geld, um die Kirche zu entschädigen hat der Staat aber nicht. Jetzt spitzt sich der Streit zwischen der polnischen Regierung und der polnischen katholischen Kirche wieder zu. Nach Aussage der oppositionellen Sozialdemokraten hat die Kirche in den vergangenen Jahren bereits Grundstücke und Immobilien im Wert von sechs Milliarden Euro erhalten. Die polnische Bischofskonferenz bestreitet dies vehement. Mit lediglich 28 Millionen Euro seien sie bisher entschädigt worden. Weihbischof Stanislaw Budzik, bezeichnete die Regierungsangaben als eine: „beispiellos ungerechten Attacke“ gegen die Kirche.
Erzbischof fordert mehr Glaubwürdigkeit der Kirche
Das Bild das Deutsche sich von den Menschen in Polen machen ist eng verbunden mit dem polnischen Katholizismus. Vor allem durch die Wahl des Krakauers Karol Wojtyla zum Papst im Jahre 1978, wurden die Menschen in Polen hauptsächlich in Verbindung mit der katholischen Kirche in den Medien gezeigt. Offiziell sind auch noch immer 90 Prozent der Bevölkerung katholisch, dass bedeutet allerdings nur; sie wurden getauft. Im täglichen Leben spielt die Kirche eine schwindende Rolle. Die Beschneidung ihres Einflusses wird inzwischen von der Mehrheit als notwendig empfunden. Das bekommen auch die Mitarbeiter der Kirche zu spüren. Wollen sie ihre Mitglieder halten, müssen sie beginnen diese ernst zu nehmen. Seit zwei Monaten ist jetzt Erzbischof Celestino Migliore neuer Botschafter des Vatikan in Polen. In seiner Rede vor der Versammlung aller polnischen Bischöfe in der Warschauer Kathedrale wies er darauf hin, dass er von den Priestern Polens erwarte, das sie vor allem Glaubwürdig sind. Die Kirche in Polen brauche vor allem Pfarrer und Ordensleute, die mit den Schwierigkeiten des Lebens vertraut und in der Lage sind, sie zu verstehen. Doch das wird schwierig. Immer mehr, vor allem junge Leute, treten offiziell aus der katholischen Kirche aus. Das Interesse an Kirche und Religion schwindet. Daran wird auch die geforderte Verbesserung der Glaubwürdigkeit kirchlicher Vertreter nichts ändern.
Jesus – neuer König von Polen?
Gerade erst hat die Mehrheit der Menschen in Polen mit ihrem Protest gegen die Aufstellung eines Gedenkkreuzes vor dem Regierungsgebäude gezeigt, dass sie auf einem säkularen Staat bestehen, schon sammeln sich die Religionsbefürworter und beweisen, dass es dem Wesen der Religion entspricht zu versuchen, ihre Richtlinien der Allgemeinheit aufzuzwingen. So demonstrierten am vergangenen Sonntag die Anhänger einer katholischen Bewegung für ihre Forderung, Jesus zum König Polens erklären zu lassen. Das der Mann, dessen tatsächliche Existenz bisher durch Nichts belegt werden konnte, seit über 2000 Jahren tot ist, stört sie dabei nicht. Auch nicht die Tatsache, dass es weltweit Anhänger des Verstorbenen gibt, die eine solche Vereinnahmung ihres, je nach Religion, Gottessohns oder Propheten, unakzeptabel fänden. Doch solche Details ignorierten die christlichen Demonstranten. Mit Bildern eines gekrönten Jesus bedruckte Fahnen schwenkend, zogen sie singend und betend zum Präsidentenpalast. Ihre Forderung: Jesus soll offiziell als König von Polen inthronisiert werden. Darüber hinaus beschwerten sie sich über die „Beschneidung der Souveränität Polens“ durch die Europäische Union, womit wohl eher die Beschneidung der kirchlichen Macht gemeint ist. Viel Erfolg dürfte den rund tausend Demonstranten aber nicht beschieden sein. Das polnische Volk hat in den vergangenen Wochen und Monaten deutlich gezeigt, was sie von einer Demokratie erwarten. Das werden auch die in der Vergangenheit schwelgenden Katholiken lernen müssen.
Streit um Gedenkkreuz beendet
Monatelang hatte ein Gedenkkreuz für den bei einem Flugzeugabsturz verunglückten ehemaligen Staatspräsidenten Polens, Lech Kaczynski, für Unruhe in Polen gesorgt und die Bevölkerung gespalten. Dabei war es nicht das Kreuz selbst, sondern der Standort vor dem Präsidentenpalast, der Empörung und Widerstand hervorrief. Darin sahen viele Polen eine Missachtung der Trennung von Kirche und Staat – eine überraschend starke Reaktion, für ein Land, indem sich fast 90 Prozent der Einwohner als römisch-katholisch bezeichnen. Jetzt wurde das Kreuz, unter dem Protest einiger Hundert Befürworter des bisherigen Standorts, von seinem Platz vor dem Präsidentenpalast entfernt und in eine Kapelle gebracht. Von dort soll es später in die nahe gelegene St.-Anna-Kirche versetzt werden, wie es eigentlich von Anfang an geplant war. Anfang August hatten National-katholische Demonstranten mit einer Blockade die Umsetzung verhindert, was zu einem Landesweiten Streit über das Verhältnis von Staat und Religion geführt hatte. Der Bruder des verstorbenen Präsidenten, Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski, nahm am Protest gegen die Entfernung des Kreuzes teil und beschwerte sich über den Umgang, mit diesem christlichen Symbol. Aber damit vertritt er nicht die Mehrheit der Polen. Nach einer aktuellen Umfrage des Institut GfK Polonia, sind 77 Prozent der Bevölkerung mit der Versetzung des Kreuzes zufrieden. Nur 10 Prozent sprachen sich direkt dagegen aus.