Ein sehr heikles Thema, aber dennoch sind die ausländischen Schulabgänger für viele deutsche Firmen unverzichtbar. Immer mehr deutsche Firmen suchen im Ausland ihre neuen Auszubildenden. Bereits im September 2011 sollen neue Auszubildende aus Polen in verschiedenen Firmen aufgenommen werden. Eine erste Kontaktaufnahme soll am 29. September im ehemaligen Schloss der pommerschen Herzöge zu Stettin erfolgen. An dieser werden Firmen wie Heidelberger Druck, die Zeitarbeitsfirma Adecco und die Sparkasse Vorpommern, dazu Restaurants und Hotels aus dem Nordosten Deutschlands teilnehmen. Die Lehrlingssuche in den osteuropäischen Ländern findet zwar noch im Rahmen kleiner lokaler Projekte statt, diese aber sind Vorboten einer Entwicklung, die ganz Deutschland erfassen könnte. Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), sieht Chancen für ostdeutsche Unternehmen. „Die Arbeitnehmerfreizügigkeit für die neuen EU-Mitgliedsländer bietet ab Mai 2011 neue Möglichkeiten für die Betriebe, passende Bewerber auch im Ausland zu finden“, sagt er. Und Alexander Legowski vom Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) sagt: „Spätestens nächstes Jahr könnte es dazu kommen, dass Lehrlinge auch im Ausland angeworben werden.“ Doch nicht nur in Deutschland, sondern auch in Osteuropa gibt es ein Fachkräfteproblem, was die Lage noch schwieriger macht. Beide Länder sind nicht gerade dafür, dass Deutschland im großen Stil den Fachkräftenachwuchs in Polen abwirbt. Doch beide Länder haben sich auf eine Probephase geeinigt. Vom Mai nächsten Jahres an gilt auch für Länder wie Polen und Tschechien die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit. Dies bedeutet: Polen können uneingeschränkt in Deutschland Arbeits- und Ausbildungsplätze suchen. Aus Angst vor Billigarbeitern hat Deutschland nach dem EU-Beitritt Polens 2004 auf eine Abschottung des Arbeitsmarktes gedrungen. Die Stadt Cottbus, nahe der Grenze gelegen, geht mit einem sehr guten Beispiel für ausländische Auszubildende voran. Die Handwerkskammer will Zuwanderern eine Ausbildungsplatzgarantie bieten. Voraussetzung dafür ist, dass die Jugendlichen einen Kurs in deutscher Sprache und Kultur absolvieren. Laut Legowski wird es auch keine großen Werbeaktionen geben: „Wir wollen ja die gute Nachbarschaft erhalten.“
Doch wer denkt an die vielen deutschen Schulabgänger. Es ist zwar rund jeder vierte deutsche Schulabgänger für eine Ausbildungsstelle völlig ungeeignet, doch es gibt auch unter den Jugendlichen zuviele Arbeitslose. Diese Jugendlichen, vor allem Migranten, sollen mehr umsorgt werden. Das habe Priorität, selbst wenn man davon ausginge, dass „einige Tausend junge Menschen“ aus dem Ausland irgendwann einmal in deutschen Betrieben lernen, sagte Dercks. Dies sollte auch von vielen Firmen gefördert werden, um nicht ins Rampenlicht zu gelangen, weil sie es gar nicht erst versuchen, sondern gleich im Ausland geeignete Azubis suchen.